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  Interview mit Klaus Schulze  



"...eine Gitarre oder Violine wächst doch auch nicht auf dem Baum!"

Sommer 1976

In English


Einleitung:

Wenige Leute werden so unterschiedlich beurteilt wie KLAUS SCHULZE, TANGERINE DREAM, KRAFTWERK, MIKE OLDFIELD, STOCKHAUSEN und HERBIE HANCOCK, um nur einige zu nennen. Aber alle haben Sie eins gemeinsam: Ihre Musik fließt aus Synthesizern (wirklich?), und die Töne und Klangbilder, die sie produzieren, haben nur selten etwas mit den überlieferten Tonlehren zu tun. Wenn es auch gelingt, den einen oder anderen Musiker mitsamt seinen neuen Tönen in ein verbales Schublädchen zu stecken. Stockhausen in die Schublade "experimentelle elektronische Musik", Herbie Hancock unter "Synthi-Jazz" so muß doch für die Mehrzahl der wirklich treffende Begriff erst noch gefunden werden. Zwar werden die Vergleiche immer hinken, denn "es gibt nichts Tödlicheres, als Musik mit Worten zu umschreiben" (Hartwig Biereichel, Metronome), aber solange die geschriebenen und gedruckten Worte wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation sind, müssen Versuche gemacht werden, auch wenn sicher ist, daß es kein vollgültiges Resultat geben kann.

So reichen die Attribute und Adjektive zu Klaus Schulze und seiner Musik von "einfach schön, Sphärenmusik, Seins-Impressionen, Klangmalerei, Emotionsbilder" bis zu "Rumgefrickele am Synthesizer". Aber nichts (oder alles) ist wahr. Die Wahrheit liegt meines Erachtens wie so oft dazwischen.

Der größte Vorwurf, und sicherlich auch der unberechtigste jedoch wäre: Diese Leute sind doch einfach gar keine Musiker! An dieser Stelle könnte man nun Argumente und Gegenargumente für die eine oder andere Aussage ins Uferlose wachsen lassen, ohne zu einem überzeugenden Ergebnis zu kommen. Aber wenn man nicht versucht, die eigene Meinung oder den eigenen Geschmack zum Credo der Allgemeinheit machen zu wollen, dann sollte es möglich sein, zu akzeptieren, was Musik seit Urzeiten ist: Ein akustisches Erlebnis.

Blicken wir zurück in die Geschichte, muß man die Toleranz der alten Reiseschriftsteller bewundern. Sie, die schon damals mit völlig Neuem konfrontiert wurden, berichteten vielleicht von eigenartigen Tönen voll seltsamen Reizes, oder sie argumentierten mit: es klang wie Musik in meinen Ohren; aber die heute scheinbar Mode gewordene Klassifizierung: das ist Musik, und dies ist keine Musik, ging ihnen vollkommen ab. Diese unberechtigten Abgrenzungen wurden erst durch die Gesellschafts- und Musiktheoretiker der Neuzeit zum Leben erweckt. Berechtigung hat meiner Meinung nach die Aussage, daß einem etwas gefällt oder mißfällt. Darüber hinaus sind alle Argumente mit einem gesunden Zweifel zu betrachten. So wie es uninteressant für den Leser ist, ob ein Buch mit der Hand, mit der Schreibmaschine oder aufs Tonband gesprochen wurde, so falsch ist es zu sagen: Ja, wenn diese Musik auf dem Klavier, der Trommel oder auf irgendeinem anderen Instrument gespielt worden wäre, würde es Musik sein; denn solange - simpel gesagt - die Musik nur eine Zuordnung von Tönen zueinander ist, solange ist es für das Produkt, für die Musik, unwichtig, woher die Töne kommen. Will man aber wissen, mit welchen Instrumenten diese oder jene Musik gemacht wurde, dann sollte man diese Frage ganz wertfrei stellen.

Im ersten Teil meines Interviews mit Klaus Schulze versuche ich auch deshalb nur, seine instrumentelle "Ausrüstung" vorzustellen. Viele Fragen und Vorurteile werden dabei sicherlich ein anderes Gesicht bekommen, denn Synthis sind keine Dinger, die alles alleine machen, und bei denen man nur aufs Knöpfchen drücken muß, damit irgendwelche abenteuerlichen Klangbilder ablaufen.

Frage: Klaus, für denjenigen, der mit staunenden Augen dein elektronisches Instrumentarium betrachtet, kann es sehr leicht zu folgenden Fragen kommen: Ist das alles eigentlich unbedingt nötig, genügt nicht auch weniger? Und: wird hier nur noch reproduzierende Technik miteinander kombiniert und abgerufen, oder bestimmt der Musiker wirklich noch, was da abläuft?

KLAUS SCHULZE: Um die zweite Frage beantworten zu können, muß zuerst einmal klar und deutlich herausgestellt werden, was Synthesizer eigentlich sind, und was mit der Kombination Synthis und Keyboards eigentlich möglich ist. Ein Synthi ist eigentlich Alles und Nichts. Man kann ihn ebenso zur Stromprüfung einsetzen wie zum Musizieren. Im Studio würde nur ein Synthi genügen, weil es doch durch die Mehrspurtechnik möglich ist, immer wieder neue Dinge miteinander zu addieren, und außerdem bietet ein großer Synthi ein unbegrenztes Spektrum an allen möglichen Tönen. Mit dem großen Moog kann man im Studio alles machen, es gibt keine denkbaren Möglichkeiten, die man nicht abrufen könnte. Da ich aber live auftrete, kann ich nicht mit einem Synthi fünf verschiedene Dinge gleichzeitig machen. Je nach Bedarf und Anforderung benutze ich deshalb verschiedene Synthis, je nach Größe und Möglichkeit. So habe ich z.B. den kleinen ARP Odyssey auf dem ich zumeist die Solostimmen spiele. Umgesetzt heißt das, den Odyssee setze ich für Solostimmen wie Gitarre, Trompete oder ähnliches ein. Ich benutze ihn deshalb, weil er relativ einfach zu spielen ist. Er ist sehr schnell zu verstellen, man kann Filter ein und ausblenden ohne lange einstellen zu müssen.

Dann habe ich weiter den Arp 2600, der bei mir mit einem Sequenzer gekoppelt ist. Eigentlich ist ja ein Sequenzer so etwas wie ein Minicomputer, mit dem eine Melodie oder ein Rhythmus programmiert werden kann. Dadurch ist es möglich, ganze Baßläufe zu speichern und abzurufen, also eigentlich gibt es in diesem Bereich keine Grenzen für den Sequenzer. Der Sequenzer spielt nun theoretisch das, was du auf den Keyboards spielen würdest. Das geht so vor sich: Mit Hilfe von Potis werden bestimmte Spannungen programmiert. Wenn man z.B. auf normalen Keyboards spielt, hat jede Taste eine bestimmte Spannung, die sie an die Oszillatoren abgibt, und die Oszillatoren bekommen dann z.B. ein Volt, was vielleicht ein C ist; wenn ich jetzt aber zwei Volt spiele, erhalte ich das gleiche C, nur eine Oktave höher. Bei Moog und Arp ist es immer ein Volt pro Oktave, und die Keyboards machen nichts anderes, als eine bestimmte Spannung abzugeben an die Oszillatoren, und die Oszillatoren produzieren dann theoretisch den Ton. Ich meine, so gesehen macht ein Keyboard nichts, es gibt nur Spannung weiter. Und zwar je nach dem, ob ich eine Harmonie oder eine Melodie spiele.

Mit dem Sequenzer ist es anders. Hier kann ich diese Harmonien oder Melodien vorher einstellen, und dann habe ich einen bestimmten Oszillator, der dann die Programme weiterschiebt von Ton zu Ton, so wie man es auch macht, wenn man mit der Hand abrollt, vom kleinen Finger bis zum Daumen. Die Geschwindigkeit ist dabei natürlich ebenso steuerbar, wie es auch die Möglichkeit gibt, rhythmische Versetzungen zu gestalten. Dies geschieht mit Hilfe spezieller Oszillatoren, die diese Abläufe unterbrechen oder verzögern, natürlich auch wieder mit Hilfe von elektrischer Spannung. Eigentlich ist ein Synthesizer ja nichts anderes als ein spannungsgesteuerter Apparat. Wenn du - wie ich - alleine spielst, ist der Sequenzer von enormem Vorteil, ja eigentlich ist er gar nicht wegzudenken. Ich habe mir z.B. einen Baßlauf programmiert, den ich abrufen und dabei doch auf die Keyboards transportieren kann. Das heißt natürlich nicht, daß ich nun einen Baßlauf eingespielt habe, der auf dem Basiston C läuft, und daß ich nun den ganzen Tag auf C spielen muß. Ich kann auf den Keyboards sämtliche Töne drücken, und der Baßlauf wird danach mit dem gedrückten Basislaut anlaufen. Durch diese Möglichkeiten habe ich theoretisch einen Baß-Spieler hinter mir, der absolut zuverlässig ist, und dessen Töne ich verändern kann. Dafür hat der Synthi noch einige spezielle Filter.

Mit dem Envelope, das ist ein Hüllkurvengenerator, kann ich bestimmen, ob ein Ton sehr kurz und akzentuiert ist, oder ob er ausschwingend sein soll. Außerdem lassen sich Töne wie mit einem Schwellpedal abrufen. Durch diese Konstellation habe ich als Solomusiker natürlich nun erst einmal einen Background, in dem etwas geschieht, in dem ich eine musikalische Bewegung habe, von der ich ausgehen kann.

Außerdem benutze ich den Arp 2600 noch für die Einspielung bestimmter Soundeffekte. Durch den wirklich ausgezeichneten Ringmudulator kann man schon einiges machen. Wenn ich den Sequenzer stoppe, bleibt er auf einem Ton stehen, und ich kann mit den Keyboards weiterspielen. Ich bevorzuge jedoch dann Einstellungen des Synthesizers, die es mir gestatten, hohe Untertöne wie Glocken o.ä. in den Sound zu integrieren. Tonale Sachen spiele ich auf dem 2600 kaum.

Den EMS Synthi setze ich eigentlich nur für typische Effekte ein wie Wasser, Wind, Gezwitscher und Donner, kurz alles, was ich zur Thematik der Stücke benötige. Dadurch kann ich ganz bestimmte Situationen und Assoziationen abrufen, ich kann Übergänge schaffen und außerdem mit Hilfe von Ringmodulationen noch ganz seltsame Dinge einspielen, wie z.B. Frauenstimmen oder ähnliches. Übrigens, mit dem EMS habe ich damals angefangen.

Bevor ich zum großen Moog komme, will ich noch Preset-Keyboards wie das Farfisa Syntorchestra ewähnen, mit denen ich Harmonien spiele, die den Hintergrund für die Sequenzverläufe bilden. Mit diesen Dingern kann man eigentlich nicht allzuviel machen. Man hat zwar einige Kippschalter, mit denen man die Tonlage verändern kann, z.B. von Flöte zu Trompete oder so; es gibt auch einige geringe Filtermöglichkeiten, aber damit ist man schon ziemlich am Ende. Mit einem Synthi hingegen kann man alles oder auch nichts machen, mit den Preset-Keyboards aber kann man nur so etwas wie Harmonien spielen und dabei die Tonlage etwas verändern. Auf Timewind findet man sehr gute Beispiele, wie ich diese beiden Seiten zusammenführe.

Um es noch einmal klar zu sagen, um meinen harmonischen Ambitionen nachzugehen habe ich zwei "Syntorchestras", und die große Orgel "Professionell Duo", denn sie ist ja doch von ihrer ganzen Anlage her immer noch ein grundlegendes Instrument, auch wenn ich derzeit immer weniger darauf spiele. Für die Bläsersachen habe ich dann noch den "Crumar Brassman". Alle zusammen laufen sie in einen eigens für mich gebauten Mixer, den ich bei mir auf der Bühne habe. So kann ich alles selber aussteuern und abrufen, bzw. einspielen. Durch diesen Einsatz wird der Mixer für mich zum Musikinstrument und deshalb habe ich auch sehr gute Filter einbauen lassen. Außerdem habe ich die Möglichkeit, am Mixer noch einmal sehr genau die Höhen und Bäße anzuheben. Zusätzlich habe ich drei Einschleifwege und spezielle Monitorausgänge. Dadurch kann ich Echo, Hall und Phaser ganz differenziert einschleifen und dabei genau akzentuierte Soundveränderungen erzielen.

Echogerät ist bei mir eine Dolby-Revox mit regelbarer Geschwindigkeit und Digitalanzeige. Dadurch ist gewährleistet, daß ich die erforderlichen Geschwindigkeiten exakt wiederfinden und auch ganz genau steuern kann. Mit anderen Produkten wie Binson, Copycat, Dynacord, Roland, H & H, habe ich immer ein für mich zu starkes Rauschen akzeptieren müssen. Zudem arbeiten diese Geräte mit Platten, die sich sehr schnell abnutzen, oder mit Bändern, die an den Klebestellen immer ein Holpern in den Sound bringen. Auch die Möglichkeiten, Vor- oder Hinterbandverzögerungen durchzufahren, sind sehr stark beschränkt. Zwar hat Binson diese Problematik schon einigermaßen gelöst, aber irgendwo klingen diese Dinger noch immer sehr matschig. Die Lösung mit der Revox ist natürlich nichts für Rockleute, denn bei dieser Art von Musik kommt die Revox sehr schnell aus dem Rhythmus - bedingt durch ihre langen Bandwege. Für Musik aber, wie ich sie mache, eignet sich dieses System vorzüglich. Mit der Revox nehme ich das Echo "hinterband" ab und das Originalsignal "vorband". Normalerweise laufen Echogeräte parallel, und das Original ist gleichzeitig schon verhallt oder verechot. Dadurch, daß ich nun das Echo hinter Band, das Original aber vor Band abnehme, kann ich einen sogenannten Ping-Pong-Effekt erzielen, denn wenn das Band langsam läuft, wird der Zeitraum zwischen den beiden Signalen (hin zum Aufnahme-Kopf, und zurück vom Wiedergabe-Kopf) verlängert. Dieser Ablauf ist durch die steuerbare Bandgeschwindigkeit sehr exakt einzusetzen. So gebrauche ich auf der Bühne normalerweise ein Echo von etwa 8 cm pro Sekunde; dabei habe ich jedoch die Möglichkeit, bis auf 1 cm pro Sekunde herunterzugehen.

Der Phaser ist ebenfalls eigens für mich hergerichtet. Schulte aus Berlin, (keine Verwandschaft) von dem ich das Ding habe, hat es für mich mit der doppelten Phasenlänge ausgerüstet, aber eigentlich kann das auch jeder selbst machen, denn mit den vorhandenen Potis kann man schon sehr leicht durch ein bißchen Umstellen zu langen Bögen kommen.

Für den Hall benutze ich im Studio das BX 20 von AKG, während ich auf der Bühne mit dem transportablen BX 15 arbeite. Die Filter im Mixer brauche ich fast nicht einzusetzen, denn die Oszillatoren vom Moog-Synthesizer sind so stark, daß ich die Filter immer auf "null linear" stehen lassen kann. Nur bei dem Farfisa-Syntorchestra oder beim Arp-Synthi muß ich schon mal Bässe vom Pult hinzugeben, damit die Oszillatoren wirklich den sogenannten Hammer kriegen. Das ist verständlich, wenn man die Preise betrachtet. Ein Oszillator von Moog kostet ja fast soviel wie zwei Syntorchestras von Farfisa. Aber alle diese Instrumente haben ihre starken und schwachen Seiten. So hat der Minimoog für mich nur zwei Dinge, die gut sind, die Oszillatoren und die Filter, während der Rest vergessen werden kann. Dagegen ist der Arp schon mit sample & hold, also mit Zufallsgeneratoren und Triggerschaltung ausgestattet. Einen Minimoog kann man nur sehr schwer mit sich selbst triggern, weil er nur einen Ausgang hat, den dritten Oszillator. Zwar kann man damit Filter oder Tonhöhen steuern, aber mehr auch nicht. Beim Arp kann man dagegen "sample & hold" steuern, man kann alle Oszillatoren vom Keyboard wegschalten und sie sich selbst steuern lassen. Es sind also reine Sounds möglich, Rückkopplungssachen können gemacht werden, die Filterresonanz kann aufgedreht werden, daß es nur noch pfeift. Es sind schon eine Menge Einstellungen möglich, die mit dem Moog nicht möglich sind. Beliebt ist der Minimoog meiner Meinung nach bei so vielen Bands nur deshalb, weil er so leicht zu bedienen ist. Ich meine, das Klangspektrum ist nicht gerade überwältigend. Ich höre sofort, wenn jemand auf einem Minimoog spielt. Natürlich gibt es die ausgezeichnete Möglichkeit, Schwungräder oder Vibrato einzublenden und damit Heuler zu machen so wie Rick Wakeman oder Keith Emerson; wie ja die Engländer überhaupt sehr gerne heulen. Portamento scheint geradezu ihr Lieblingssound zu sein. Außerdem braucht man für den Minimoog überhaupt kein technisches Verständnis, um ihn bedienen zu können.

Der große Moog ist dagegen etwas ganz anderes. Ich habe ihn jetzt etwa ein halbes Jahr, und ich glaube, ich brauche noch weitere 10 Jahre, bis ich ihn wirklich kenne und seine Möglichkeiten zielbewußt einsetzen und abrufen kann. Gegenwärtig gelingt es mir erst, gewisse Feinheiten aus diesem elektronischen Universum herauszukristallisieren. Das Ding hat allein 10 Oszillatoren, drei Hüllkurvengeneratoren, drei Voltage-Control-Verstärker, also spannungsgesteuerte Verstärker, und verschiedene 12-Stufen Fixfilter, so kann ich aus einem Rauschen eine Männerstimme herausfiltern. Diese Filter sind übrigens wahnsinnig gut. Für bestimmte Klangvorstellungen kommt es auf den Millimeter am Einstellrand an, und bei manchen Filtern ist das einfach nicht möglich. Ich habe z.B. auch die EMS-Filterbank, aber da habe ich für die Oktavfilter nur 8 Stufen. Mit den 12-stufigen Fixfiltern des Big Moog kann ich ganz genau die gewünschten Klänge einstellen. Diese Klänge bleiben auch so, sie lassen sich nicht durch die Keyboards oder andere Oszillatoren verändern oder beeinflussen. Um aber doch verändern zu können, hat der Big Moog noch eigene Hochpaß und Tiefpaß, und der Moog-Filterkoppler bringt die beiden zusammen.

Diese Hochpaß- und Tiefpaßfilter sind spannungsgesteuert, und dabei fängt es an, interessant zu werden, denn damit ist es möglich, durch die Oszillatoren die Filter zu verändern oder auch durch die Keyboards. Mit der gedrückten Taste verändert sich der Filter. Außerdem sind die Filter zu öffnen und zu schließen, so daß der Wah Wah-Effekt auftritt, nur eben perfektionierter und sauberer.

Die unzähligen Mix-Möglichkeiten sind aber das wichtigste. So hat jeder der 10 Oszillatoren vier Ausgänge. Dadurch kann ich theoretisch verbinden, was ich will. Ich kann den einen Oszillator auf jeden beliebigen anderen geben, und dabei noch über oder in die Filter gehen. Daher kommen auch die großen Schwierigkeiten, diesen Synthi zu verstehen und darüber zu sprechen. Denn wo immer Verbindungen der Oszis untereinander oder mit Filtern geschlossen werden, wie immer die Kombinationen aussehen, es entsteht jeweils ein neuer Klang, und die Möglichkeiten sind nicht abzählbar. Dabei passiert es auch alten Hasen und Big Moog-erfahrenen Leuten immer wieder, daß sie selbst erstaunt sind, weil der plötzlich auftretende Ton, durch eine neue Kombination herbeigeführt, wieder so neuartig ist, daß man ihn sich rein gedanklich nicht vorstellen konnte. Diese Sachen passieren immer wieder.

Um den Moog zu spielen, brauchst du gar kein Musiker zu sein, ich meine natürlich nicht den musikalischen Bereich. Für den Moog genügt es, wenn du Techniker bist oder zumindest eine gehörige Portion technisches Verständnis hast. Wenn du aber Musik damit machen willst, dann mußt du beides sein, Techniker und Musiker.

Damit sind wir auch zugleich beim größten Problem des Synthesizers. Ich habe doch nun schon einige Erfahrung und manches Konzert hinter mich gebracht, aber es sind immer noch die gleichen Probleme, die das Moogspiel so diffizil gestalten. Was beim Synthi-Spielen, überhaupt beim Musikmachen so schön ist, ist doch, einfach formuliert, das Abfahren auf die Musik; aber die Synthis lassen so etwas nicht zu. Wenn man mit diesen Dingern arbeitet, dann mußt du teilweise mit einem Ohr abfahren und mit dem anderen Ohr ganz genau hinhören, denn alle Klangveränderungen, alle Effekte und Soundmöglichkeiten, die du abrufst, mußt du ganz rational abrufen. Es sind oft nur Millimetereinstellungen, also ganz geringe Drehungen an den Knöpfen der Filter, Oszillatoren und Schieberegler, die verändert werden müssen, und es ist unmöglich, einfach so aus einer "abgefahrenen" Stimmung heraus voll in die Einstellknöpfe und Regler zu greifen, denn dann donnert dir plötzlich irgend ein Sound um die Ohren, der in gar keinem Bezug zu deiner Musik steht. Auf einen Nenner gebracht bedeutet das, du mußt immer rational und emotional zugleich sein. Daher ist es einfach unumgänglich, daß ich für Konzerte immer bestimmte Sachen vorprogrammiert habe. Diese Einspielungen laufen dann ab, und ich kann dann auf dieser Grundlage voll mit den Keyboards abfahren.

Dazu habe ich immer gewisse Soundcollagen vorprogrammiert, die ich dazu benutze, die Diskrepanz zwischen Harmonie und Disharmonie aufzuzeigen, oder auch, einfach zwischen Harmonie und Klang. Ich meine, Schönheit ist nur möglich im Gegensatz zur Häßlichkeit, und Schwarz wäre nicht denkbar, gäbe es kein Weiß. Man kann daher nicht ewig Harmonien spielen und dabei aufzeigen, wie schön Harmonien sind. Ich jedenfalls muß manchmal ganz aggressive Sounds spielen, um dann wieder einen ganz normalen Moll-Dreiklang zu spielen, der mir dann wie die Herrlichkeit im Paradies vorkommt. Und das ist nur möglich, weil vorher hörbar war, wohin es auch gehen könnte.

Frage: Bei der wahnsinnigen Vielfalt an möglichen Geräuschen, Klängen und Effekten, die allein der große Moog offeriert; und wenn man dann noch die angebotenen Möglichkeiten aus all deinen anderen Instrumenten mit in Betracht zieht, kannst du dann - oder überhaupt ein menschliches Gehirn - noch Musik aus diesem technischen Universum gedanklich vorkonstruieren? Ich meine, ist es noch möglich, diese Vielfalt gedanklich zu erfassen und Musik zu "schreiben", ohne gleichzeitig zu experimentieren?

Klaus Schulze: So einfach läßt sich deine Frage nicht beantworten. Man muß vielleicht nach verschiedenen Stadien, in denen sich der Synthispieler befindet, unterscheiden. Im ersten Stadium, wenn du den Synthi erst kennenlernst, kannst du sehr leicht dahin abrutschen, daß du alles gut findest, was der Synthi macht. Das sieht dann so aus: Du stellst irgendeine Sequenz ein, und das was rauskommt, ist klanglich so schön, daß du voll ausflippst. Diesen Zustand gilt es sehr schnell zu überwinden, denn sonst gerät man leicht in eine Situation, in der man, einfach gesagt, davon abhängig wird, daß der Synti einem schöne Sachen verspielt, also nicht du den Synthi kontrollierst, sondern der Synthi dich! Wenn man aber konsequent weiterarbeitet, wenn man wirklich rational versucht, den Synthi zu entdecken, dann überwindet man doch schließlich die Faszination des reinen Klanges, obwohl die Gefahr des "In-den-Sound-Versackens" immer noch gegeben ist. Durch dieses rationale Abtasten der Möglichkeiten werden der Erfahrungsbereiche, das Wissen um die Möglichkeiten immer größer, und so wechselt man fast unbemerkt in ein Stadium über, in dem es zuerst langsam, aber doch immer besser werdend, möglich wird, sich Soundgebilde, ja ganze Kompositionseinheiten geistig vorzustellen.

Grundbedingung beim Synthi, wie es bei jeder Musik sein sollte, ist jedoch, daß man sich selber darüber Klarheit verschafft, was man eigentlich will. Zur Zeit gibt es etwa 10 Leute in der ganzen Welt, die mit wirklich großen Synthi-Einheiten spielen, und alle gehen sie verschiedene Wege. Sie fliegen auseinander in Richtungen, die vielleicht in musikalische Gegenden führen, die heute noch gar nicht denkbar erscheinen.

Die Gefahr ist sehr groß, daß sich der Musiker, der sich eines solchen technischen Instrumentariums bedient, in Gefilde begibt, wohin ihm niemand nachzufolgen versteht. Die Zuhörer kennen dann vielleicht noch den Minimoog; ich meine, wenn da etwas zwitschert, dann wissen sie noch, woher es kommt, aber wenn dort oben auf der Bühne einer sitzt, der auf einer Trommel klopft, und die Leute hören dann aus den Boxen komplette Melodien oder Glockengeläut oder was immer, dann wird es sehr schnell nicht mehr erfassbar. Dieser seltsame Freiraum, in dem es möglich ist, völlig auf die eigenen Ideen abzufahren oder aber zu versuchen, die Mittel so einzusetzen, daß man den Hörern noch etwas sagt, diesen Freiraum gilt es ganz klar auszuloten. Heute ist es bei mir so, daß ich bestimmte Vorstellungen habe, wie und was ich als Endresultat, als fertige Musik haben möchte.

Nehmen wir mal an, ich will einen Glockenton aufbauen. Ich weiß aus der Erfahrung, daß ringmodulierte Sinustöne die reinsten Glockentöne herstellen, und mit den Filtern kann ich nochmal weiche oder harte Nuancen einstellen. Nun passiert es aber auf dem Weg dahin - und das passiert eigentlich permanent - daß etwas völlig anderes entsteht. Zwar kommst du ganz sicher zu den Glockentönen, die du erzielen willst, aber auf dem Weg dahin entstehen einfach Klänge, die dich durch ihre Schönheit gefangennehmen. Also gehst du diesen (neuen) Weg weiter, und plötzlich kommst du in Spliären, von denen du dir vorher kein Bild machen könntest. Plötzlich klingt z.B. ein Männerchor im Hintergrund der Glocke. Nun gilt es, genau abzuwiegen, ob das erzielte Ergebnis den vorherigem Vorstellungen entspricht, verstärkt es die gewünschte Aussage? ...oder aber kehrt sie die Aussage ins Gegenteil?

So gesehen ist die Synthi-Musik natürlich eine Experimentiermusik. Du kannst nichts üben, es ist alles da. Nur wo es ist, wie und in welcher Form und klanglichen Farbe es herauskommt, das muß gesteuert werden. Durch die Bedingungen, die der Synthi an den Musiker stellt, wird er zu einem Gesprächspartner des Musikers. Es ist wie in einem immer wiederkehrenden Kreislauf. Du gibst dem Synthi deine Idee, du bekommst ein Resultat zurück und mußt nun abklären, wieweit es zutrifft, wie weit muß ich es vielleicht weiter verändern. Mit dem Ergebnis dieser Überlegungen steuerst du nun den Synthi, wobei du erneut Ergebnisse erzielst, die du, wie zuvor, kritisch auf deine gewünschte Musik hin bewerten mußt. Und so geht es weiter und weiter. Sehr viele Versuche laufen dabei ins Leere, weil man bei den Synthis immer suchen muß, und nicht jeder Weg direkt dorthin führt, wo man die gesuchten Klänge findet. Hinzu kommt, daß der Synthi ein sehr persönliches Instrument ist. Die persönliche Klangästhetik ist dabei wohl der dominierende Faktor. Ich würde mir z.B. niemals einen Trompetenton suchen, da ich Blasinstrumente nicht leiden kann, und ein anderer würde sich vielleicht niemals einen Glockenton suchen, weil er sowas nicht mag. So ist man durch die eigene Klangvorstellung schon auf einen bestimmten Weg fixiert. Dies hat jedoch keine Nachteile. Durch die unzähligen Klangmöglichkeiten - auch innerhalb bestimmter Soundvorstellungen - werden der eigenen Kreativität keinerlei Grenzen gesetzt, im Gegenteil: der Musiker ist dadurch sogar in der Lage, gewünschte Aussagen so zu gestalten, daß ihm Klänge, die er von sich aus nicht mag, nicht hinderlich werden können. Hinzu kommt, der Synthi-Musiker ist nicht davon abhängig, daß andere Musiker seine eigenen Ideen interpretieren.

Frage: Nun, das wird vielleicht irgendwie theoretisch stimmen, aber ich glaube nicht, daß ein Synthi-Musiker wirklich in der Lage ist, Gitarren oder Schlagzeug mit der gleichen Aussage-Intensität und in der möglichen Nuancierung zu bringen, wie es gute Gitarristen und Schlagzeuger vermögen. Du spielst doch auch seit einiger Zeit, seit deinem letzten Album Moondawn, mit Harald Grosskopf am Schlagzeug zusammen. Ist das nicht schon ein Zeichen dafür, daß auch ein Synthi-Musiker die musikalisch bedingte Hilfe anderer Musiker benötigt?

Klaus Schulze: Das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Wenn ich eine Gitarre oder eine Flöte, oder was immer auch spielen will, stelle ich einfach den Klang am Synthi ein und spiele dann die entsprechenden Noten auf den Keyboards. So ist theoretisch jedes geforderte Signal erstellbar. Die Grenzen der Synthi-Musik liegen ganz woanders. Weil der Synthispieler ein Multi-Instrumentalist ist, kann er im Studio durch die zeitlich nachgeschalteten Aufnahmen des "Overdubbings" alle Instrumente so spielen, wie er sie sich vorstellt.

Bei Konzerten, wo jedoch alle Instrumente zur gleichen Zeit so ablaufen sollen, wie sie von der Musik vorgeschrieben sind, ist das unmöglich, wenn man nicht auf ein nahezu vollständig vorprogrammiertes Stück zurückgreifen will. Man kann zwar schon sehr viele Dinge zur gleichen Zeit machen, aber es ist unmöglich, daß man z.B. auf den Keyboards die Solostimme spielt und dabei gleichzeitig erst auf der Moogtrommel den entsprechenden Basisrhythmus sucht. Den braucht man schon vorprogrammiert, wobei er aber immer veränderbar bleibt. Dadurch bleibt eine gewisse Lebendigkeit erhalten, man kann schon sehr schnell den Rhythmus individualisieren, ihn der momentanen Stimmung anpassen, aber ein wenig bleibt der Rhythmus immer maschinell. Du kannst zwar diese Rhythmusläufe schneller oder langsamer ablaufen lassen, aber sie bleiben maschinell. So wie ein guter Schlagzeuger jedoch seinen Rhythmus verändern kann, ihn lebendig gestalten kann, so ist es mit dem Synthi nicht möglich. Darin liegt ein Grund, warum ich jetzt mit Harald (Grosskopf) spiele. Der zweite, und vielleicht wesentlichere Grund, liegt aber in einer anderen Thematik begründet. Mit meinem gesamten Instrumentarium ist es mir zwar möglich, unbegrenzt Instrumente und Klänge zu spielen, aber eins bleibt dabei unmöglich: das Gespräch mit anderen Musikern, die bei den "normalen" Bands miteinander auf der Bühne stehen. Bisher war es so: Das einzig mögliche Gespräch auf der Bühne konnte ich mit dem Synthi führen, wobei ich aber immer Frager und Antworter zugleich bin. Mit Harald ist es ganz anders. Er korrespondiert sehr gut mit den Elementen des Synthis, und seine Spielauffassung harmoniert sehr gut mit der meinen. Dadurch wird unsere Musik lebhafter, und für den Zuhörer und Zuschauer auch viel durchsichtiger. Das wichtigste aber, es findet ein musikalisches Gespräch statt.

Frage: Diese Aussage könnte nun leicht von den Leuten ins Feld geführt werden, die immer wieder behaupten, der Synthi sei gar kein Musikinstrument. Ich höre immer wieder, auch aus Musikerkreisen, die es eigentlich besser wissen müßten, das, was die Schulzes und Froeses machten, sei doch nur, "nach 2 Minuten drücken sie den Knopf, nach 3 Minuten und 27 Sekunden fahren sie den Schieber hoch" und so weiter und so weiter. Ich glaube, durch die preislich bedingte Extravaganz und durch die technische Kompliziertheit dieser Geräte wird sich auch in naher Zukunft dieser verbale Allgemeinplatz nicht vom Tisch wischen lassen. Mit welchen Argumenten würdest du diesen Vorwürfen begegnen?

Klaus Schulze: Für mich ist die Argumentation, ein Synthi sei eine Maschine und deshalb kein menschliches Instrument, einfach Schwachsinn. Zuerst einmal gibt es, was die Materialien und ihre Verarbeitung angeht, doch keine grundsätzlichen Unterschiede. Beim Synthi werden, wie bei der Violine, auch nur Materialien verwendet, die der Erde entstammen. Quarze, Kupfer und Kristalle sind genau so natürlich wie Holz, Saiten und Bogen der Violine. Darüber hinaus hat auch schon Stradivari mit vielen Mitteln und Tricks gearbeitet, um seinen Instrumenten ganz spezifische Soundeigenschaften mit auf den Weg zu geben. Damals wurde schon mit Säuren, Temperaturen und Lackierungen modifiziert, und wenn ich auf die gegenwärtige Szenerie der Gitarristen blicke, dann sehe ich auch überall den Einsatz von Effektgeräten und Verstärkerleistungen, die mit dem eigentlichen Gitarrenspiel nur sehr wenig zu tun haben. Würde man den Vorwurf wirklich ernst nehmen, dann müßte man auch sagen, nur die klassische Gitarre ist ein Musikinstrument. Von daher ist also die Argumentation gegen den Synthi wirklich nichts als reiner Schwachsinn. Ich meine, eine Gitarre oder eine Violine wächst doch auch nicht auf dem Baum, und so wie diese Instrumente nicht von sich aus Musik machen, so kann es der Synthi auch nicht. Grundsätzlich muß bei beiden Instrumenten, Violine und Synthi, der Impuls vom Musiker ausgehen. Es ist dabei zweitrangig, ob ich nun mit dem Bogen über die Saiten streiche oder mit den Keyboards den Impuls für eine Tonerzeugung gebe. In beiden Fällen muß ich sehr genau dosieren, damit die Töne aus dem Instrument kommen, wie ich sie mir vorstelle. Es gibt in der Systematik also keine Unterschiede. Die einzigen Unterschiede liegen in der Handhabung und in der Technik. Während bei der Gitarre durch Zupfen oder Beugen der Saiten ein Ton entsteht, man bei der Violine durch die Reibung und den Druck des Bogens auf den Saiten Töne hervorlockt, gibt man bei den Synthis durch das Niederdrücken einer Keyboardtaste oder durch den Anschlag auf der Moog-Trommel den Ton ein.

Frage: Aber es gibt doch noch weitergehende Unterschiede. Wenn ich eine Gitarre spiele, dann weiß ich immer ganz bestimmt, welchen Ton ich wie und wo erzeuge. Beim Synthi ist es doch etwas anders. Einmal kommt man nur selten direkt dahin, wohin man möchte, und zum anderen besitzt der Synthi in sich schon die Dinge, mit denen man Töne und Klänge verändern kann. Ein Wah-Wah beim Synthi ist nicht so klar vom Instrument abzugrenzen, ich meine visuell, wie beim Synthi. Der Weg des Synthi ist komplizierter und nicht so durchschaubar, und durch die Zwischenresultate, die sound-mäßig auf so einem Weg auftreten, wird sehr leicht die ursprüngliche Richtung verändert. Nehmen wir ein Beispiel. Der Gitarrist, der auf der Bühne steht und aggressiv und wild spielen will, kann das ohne Einwände oder Grenzen von instrumenteller Seite tun; daneben bleibt sein ganzes Tun für die Zuhörer klar erkennbar. Dagegen - will der Synthi-Musiker Gleiches hervorrufen, so weiß er zwar auch, wie und wo die Klänge liegen, die er dafür benötigt, aber auf dem Weg dahin kann der Synthi ihm aber Impulse geben, die ihn dazu verleiten, seine vorherige Richtung zu verändern. Dieser Vorgang ist ein intimer Vorgang zwischen Synthi und Musiker, und er ist weder technisch noch optisch für die Zuhörer erkennbar. Vielleicht sind deshalb so viele Leute geneigt, den Synthi als ein "Lügeninstrument" abzutun.

Klaus Schulze: Natürlich kann ein Synthi sehr leicht zum lügen verführen, wenn ich mal deinen Ausdruck gebrauche, aber die Ergebnisse sind dann doch sowohl für den Musiker wie für den Zuhörer ziemlich frustrierend. Ich meine, ich will Musik machen. Musik, von der ich schon, bevor ich beginne, ganz bestimmte Vorstellungen habe. Und wenn man so spielt, wenn man sich konsequent an die Linie hält, dann ist der Synthi mit Sicherheit das schwierigste musikalische Instrument. Es ist relativ einfach, einmal abgesehen von der Theorie und der Technik, mit einem Synthi Klänge zu erzeugen [schon mal versucht, aus einem Saxophon oder einer Trompete einen Ton zu bekommen?)

Die Motivation und die Vorstellung des Komponisten sind es, die den Unterschied machen. Bei der "musique concret" oder bei der sogenannten "Avantgarde", Stockhausen, Xenakis, Pierre Schäffer, die teilweise Klangorgien feiern -- wobei es mir nie ganz klar wird (was aber eigentlich auch nicht wichtig ist), ist der Klang jetzt bewußt gesucht oder haben sie ihn einfach gefunden und finden ihn nun gut? So etwas ist natürlich relativ einfach herzustellen.

Schwierig wird es erst dort, wo auch die Bestimmung des Synthis liegt: nämlich musikalische Freiräume zu öffnen und in ihnen gestaltend zu wirken. Das heißt, im Freiraum zwischen den bekannten Orgel- und Keyboardklängen nach neuen Möglichkeiten zu suchen, dabei aber nicht vergessend, daß Harmonie und Melodik wesentliche Bestandteile der Musik sind. Diese Grundsätze haben die Avantgarde-Musiker aber teilweise schon längst über Bord geworfen. Damit sage ich nicht, der Synthi sei in seiner Bestimmung ein Instrument, um Harmonien zu spielen. Ganz im Gegenteil ist er dazu konzipiert, Tonwerte und Tonzusammenstellungen zu schaffen, die weit über das bisher Bekannte hinausgehen. Jedoch, und das ist wesentlich, durch diese großzügigen Möglichkeiten sollte man sich nicht verpflichtet fühlen, nur das Extreme zu suchen, sondern man soll, und so arbeite ich auch, diese grenzenlose Freiheit des Synthis den musikalischen Gesetzen unter- und zuordnen. Sicherlich ist jeder Ton an sich schon Musik, aber es widerspricht meiner Klangästhetik, nun einfach willkürlich im Zwiegespräch mit dem Synthi irgendwelche Aneinanderreihungen von Tönen zu gestalten.

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